Therapeutische Kräftigungseinheiten sind eine prima Option für durch Corona geschwächte Menschen. Planmäßiges Weitermachen ist hingegen die erste Wahl für Trainierte, nachdem sie die Ansteckung mit dem Virus überstanden haben.
Zwei unlängst veröffentlichte wissenschaftliche Arbeiten beschäftigen sich mit der Muskelkräftigung nach einer überstandenen Corona-Infektion. Die eine sieht moderaten Kraftsport als Mittel um wieder auf die Beine zu kommen, bei der anderen geht es um Verhaltensregeln für den Trainings-Wiedereinstieg.
Stört COVID-19 die Muskeleffizienz?
Ein Team aus verschiedenen spanischen Forschungsinstitutionen, befasste sich mit dem Phänomen, dass viele Patienten nach der akuten Phase einer Infektion mit COVID-19 unter allgemeinen Schwächegefühl und anhaltender Müdigkeit leiden. Die Wissenschaftler fragten sich: Liegt diesen Nacherkrankungs-Symptomen womöglich eine Störung der Muskeleffizienz zugrunde? Ein spannendes Thema, denn bislang gibt es nur wenige Informationen zum Effekt von Corona auf muskuläre Dysfunktionen. Um zu validen Ergebnissen zu gelangen, verglichen die Wissenschaftler COVID-19-Patienten mit anderen Gruppen von Personen. Eine Kohorte bestand aus Patienten mit der chronischen Lungenerkrankung COPD, eine weitere aus Herzkranzgefäß-Erkrankten (Ischämische Herzkrankheit/IHK). Zusätzlich gab es eine Kontrollgruppe aus Gesunden.
Um die Muskeleffizienz zu überprüfen wurden Tests mit unterschiedlichen Belastungsstufen auf einem Fahrradergometer durchgeführt. Da eine gut funktionierende Muskulatur mehr Sauerstoff benötigt, galt es unter anderem die Spitzen-Sauerstoffaufnahme (VO2-Peak) zu ermitteln. Wie gut der Mehrbedarf gedeckt werden kann, hängt auch vom Herz-Kreislauf-System und der Leistung des Atemsystems ab, insofern auch der Vergleich von COVID-19-Patienten mit COPD- und IHK-Erkrankten. Nach Durchführung der Tests zeigte sich, dass Patienten mit COVID-19 und COPD im Vergleich zur Kontrollgruppe eine niedrigere Muskeleffizienz aufwiesen. Alle Patientengruppen fielen gegenüber der Kontrollgruppe durch eine geringere Belastbarkeit auf. Zwischen den Patientengruppen wurden dagegen keine signifikanten Unterschiede, wohl aber kleinere Abweichungen beobachtet. In der IHK-Gruppe zeigte sich im Vergleich zu den Patienten mit COVID-19 oder COPD an verschiedenen Messpunkten eine größere Muskelleistung. Insgesamt erwies sich die Belastungsfähigkeit als wesentliches Manko der COVID-19- und COPD-Patienten. Die Forscher leiten daraus ab, dass in der Frühphase der Corona-Rehabilitation Bemühungen um eine Steigerung der Belastungsfähigkeit und damit auch der Muskeleffizienz sinnvoll sein könnten. Ihre Empfehlung geht klar in Richtung Krafttraining – allerdings schwebt den Wissenschaftlern dabei nicht Eisenstemmen vor. Sie raten stattdessen zu Widerstandsübungen mit elastischen Bändern. Anders als freie Gewichte machen Theraband & Co. keinen Druck auf die Gelenke – kleinere Muskeln und Stabilisatoren sowie größere Muskelgruppen können schonend und effektiv angesprochen werden.
Krafttrainings-Restart nach Corona?
Nun zu den Kraftsportlern, die nach einer Corona-Infektion das Training wiederaufnehmen möchten. Wie sollten sie den Restart nach überstandener Infektion handhaben? Wichtig ist zunächst, eine Herzmuskelentzündung ausschließen zu können. Daher rät die europäische Gesellschaft für Sportmedizin (EFSMA) vor Trainingsbeginn ein Elektrokardiogramm (EKG) zur Feststellung der Herzaktivität durchzuführen. Gab es in der Corona-Akutphase Schwierigkeiten mit Herz und/oder Lunge, sind weitergehende Maßnahmen erforderlich. Mit diesen setzte sich ein Team britischer Forscher vom Imperial College London auseinander. Im Krankenhaus behandelte COVID-Patienten bedürfen demnach einer speziellen Rehabilitation – ansonsten richtet sich das Vorgehen nach der Symptomatik während der Akutphase. Entsprechend dieser sollte die Inanspruchnahme medizinischer Expertise aus dem jeweiligen Fachbereich erfolgen. In schweren Fällen wie einer bei Corona möglichen Herzinnenhautentzündung ist eine Sportpause von drei bis sechs Monaten angesagt. Auch psychische Folgen sollten nicht außer Acht gelassen werden. Stimmung, Schlafqualität, Appetit und innerer Antrieb können unter Corona gelitten haben. Auch unter diesem Aspekt ist eine planvolle Wiederaufnahme des Trainings sinnvoll, da körperliche Bewegung nachweislich das seelische Wohlbefinden verbessert.
Zurück zur alten Form?
Die Londoner Wissenschaftler empfehlen ein Auftrainieren in vier Phasen. Davor sollten allerdings mindestens sieben symptomfreie Tage hinter einem liegen, da eine etwaige Verschlechterung des körperlichen Zustandes oft erst mit Verzögerung eintritt. Jede der Phasen umfasst mindestens eine Woche, bei mangelnden Fortschritten oder dem Auftreten von Krankheitssymptomen jedweder Art ist deutlich mehr anzusetzen.
Phase eins umfasst Dehn-, Gleichgewichts- und Atemübungen. In der Folgephase werden leichte Aktivitäten durchgeführt: Spaziergänge, Yogaübungen und Vergleichbares. Sobald dies mühelos geht, wird das Pensum pro Tag gesteigert. Wer eine halbe Stunde ohne Überanstrengung gehen kann, ist reif für Stufe drei. Diese beginnt mit zwei, durch eine Pause getrennte, ausdauerorientierten Trainingseinheiten von fünf Minuten Dauer. Hier kommen zum Beispiel Treppensteigen und Joggen infrage. Das Pensum wird täglich so erhöht, bis eine unterbrechungs- und anstrengungsfreie halbe Stunde erreicht ist. Zudem sollte nicht mehr als eine Stunde Regeneration benötigt werden. In Phase vier stehen, als letzte Vorbereitung für die vorher gewohnte sportliche Aktivität, jeden zweiten Tag Koordinations- und Krafttraining auf dem Programm.
Insgesamt warnen die Autoren vor allzu viel Ehrgeiz: Trainiert werden sollte nur, wenn man am Tag nach den Übungen gut erholt ist und keine neuen oder wiederkehrenden Symptome aufgetreten sind. Treten Beschwerden auf, ist das Trainingspensum zu verringern und ärztlicher Rat einzuholen.