Die Zehntausend sind geschafft – für heute. Morgen geht das Schrittezählen von neuem los. Aber wieso eigentlich zehntausend, sind überhaupt so viele Schritte täglich nötig? Oder sollten es sogar noch mehr sein? Studien zeigen: Da ist selbst die Wissenschaft überfragt.
Der Zehntausend-Schritte-Zähler
Wer eine Smartwatch oder ein Fitnessarmband trägt, kennt das: Wenn man
10.000 Schritte zurückgelegt hat, gratuliert einem das Gerät, manchmal
regnet es auch Konfetti oder eine andere Animation begleitet die
Glückwünsche. Die Zehntausendergrenze scheint eine besondere Bedeutung
zu haben. Wer täglich so viele Schritte zurücklegt, soll angeblich
gesünder bleiben und länger leben. Klar, Bewegung ist gut und immerhin
werden von der Weltgesundheitsorganisation WHO täglich mindestens 20
Minuten Bewegung mit moderater Intensität, bzw. 150 Minuten pro Woche
empfohlen. Und sogar die zehntausend Schritte finden sich in den
Empfehlungen der WHO. Aber woher kommt diese Empfehlung überhaupt? Hat
eine Studie diese Schrittzahl als magische Fitness- und
Gesundheitsgrenze nachgewiesen?
Die Antwort lautet: nein. Was wohl nur noch die wenigsten wissen: Hinter
dieser Schrittzahl steckt keine medizinische Forschung, sondern eine
jahrzehntealte Werbung. Im Zuge der Olympischen Spiele 1964 in Japan
präsentierte die Firma Yamasa den ersten transportablen Schrittzähler.
Der Name dieses Geräts war „Manpo-kei“, was übersetzt
„Zehntausend-Schritte-Zähler“ bedeutet. Ein einprägsamer Name, der
impliziert, dass diese tägliche Anzahl an Schritten gesund ist. Dabei
wurde die Zahl vom Hersteller relativ willkürlich gewählt.
Wissenschaftliche Studien, um diese Zahl zu untermauern, führte der
Hersteller jedenfalls nicht an. Dennoch zweifelte wohl niemand an der
Empfehlung, 10.000 klingt nicht zu wenig, nicht zu viel – und ist
einprägsamer als etwa 9.687 oder eine andere krumme Zahl. So konnten
sich die zehntausend Schritte über die Jahre durchsetzen und brannten
sich ins Gedächtnis ein, auch wenn ihr Ursprung in Vergessenheit geriet.
Reichen weniger Schritte?
An dieser magischen Zahl gibt es jedoch so langsam Zweifel. In den
vergangenen Jahren haben sich einige Studien mit der Frage befasst, wie
viele Schritte täglich sein müssen, um gesund zu bleiben. Eine Studie,
die dieses Jahr veröffentlicht wurde, geht davon aus, dass auch weniger
Schritte pro Tag genügen. Die Untersuchung der Harvard Medical School
beruht auf den Daten von 16.000 Frauen mit einem durchschnittlichen
Alter von 72 Jahren. In der Studie wurde die tägliche Schrittzahl der
Probandinnen mit dem Sterberisiko verglichen. Teilnehmerinnen, die
mindestens 4.400 Schritte pro Tag zurücklegten, hatten nach vier Jahren
ein geringeres Sterberisiko als jene, die täglich auf nur rund 2.700
Schritte kamen. Eine weitere Steigerung der Lebenserwartung zeigte sich
in der Studie jedoch nur bis zu einer Grenze von rund 7.500 Schritten
pro Tag. Weitere Schritte verpufften sozusagen wirkungslos und hatten
keinen weiteren positiven Effekt.
Womöglich könnten also 7.500 Schritte pro Tag reichen, um das Risiko für
Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu senken. Allerdings ist diese Studie nur
bedingt aussagekräftig, da nicht berücksichtigt wurde, ob die Frauen,
die sich eher wenig bewegten, womöglich bereits erkrankt und deswegen
weniger körperlich aktiv waren. Außerdem wäre in diesem Fall von einem
grundsätzlich höheren Sterberisiko auszugehen. Alle Teilnehmerinnen
hatten zu Studienbeginn zwar angegeben, fit genug für einen Spaziergang
zu sein – aber nicht, wie weit sie spazieren gehen können. Zudem ist die
Aussagekraft begrenzt, da ausschließlich ältere Frauen untersucht
wurden, keine Männer oder jüngere Probanden.
Es gibt jedoch noch weitere Studien, die darauf hindeuten, dass zwischen
6.000 und 8.000 Schritte genügen könnten. Laut einer Untersuchung aus
dem Jahr 2011 entspricht diese Schrittmenge in etwa einer halben Stunde
Bewegung pro Tag, was nahezu der Empfehlung der WHO nahekommt, die
mindestens 20 Minuten Bewegung täglich empfiehlt.
Oder darf’s noch mehr sein?
Die Studienergebnisse sind jedoch nicht eindeutig und die Forscher sind
sich uneins. Denn es gibt auch Untersuchungen, die eine deutlich höhere
Schrittzahl pro Tag für nötig halten, um einen nachhaltigen Effekt auf
die kardiovaskuläre Gesundheit zu haben. So sprechen einige
Studienergebnisse eher für 15.000 bis 18.000 Schritte pro Tag und manche
Forscher sagen sogar: Je mehr Bewegung, desto besser, es gibt keine
Grenze. Je mehr Schritte gegangen werden, desto größer der positive
gesundheitliche Effekt. Eine Studie von 2017 stellte zumindest fest: Je
höher die durchschnittliche Schrittzahl pro Tag und Einwohner eines
Landes, desto weniger Übergewichtige gibt es.
Fazit
Wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte und muss sich in
diesem Fall wohl nichts Neues merken. Solange sich die Forscher
streiten, ob nun 7.000 oder 15.000 Schritte besser sind, kann man
getrost bei den gewohnten 10.000 bleiben. Ein gutes Mittelmaß sind die
zehntausend allemal und noch dazu leicht zu merken. Zumal die Schritte
ja hoffentlich nicht die einzige körperliche Aktivität darstellen,
sondern noch sportliche Betätigungen hinzukommen, die von einem
Schrittzähler gar nicht erfasst werden. Zum Beispiel Krafttraining im
Fitnessstudio.
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